Erste Promotion des Promotionsverbandes der Hochschulen für angewandte Wissenschaften Baden-Württemberg in der juristischen Forschungseinheit
An der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg fand die mündliche Promotionsprüfung über das Thema des Volkseinwandes statt.
An der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg fand die mündliche Promotionsprüfung über das Thema des Volkseinwandes statt.
Der Promotionsverband der Hochschulen für angewandte Wissenschaften Baden-Württemberg lud gemeinsam mit der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg (HVF) als Mitglied des Promotionsverbandes zur ersten Promotionsprüfung der Forschungseinheit „Rechts- und Verwaltungswissenschaften“ (FE V) des Promotionsverbandes ein. Es handelt sich dabei zugleich um den allerersten erfolgreichen Abschluss eines Promotionsverfahrens des im Jahre 2022 gegründeten Promotionsverbandes.
Die 2024 gegründete Forschungseinheit V „Rechts- und Verwaltungswissenschaften“ begrüßte am Freitag, den 19. September 2025, an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen den Doktoranden Florian Feigl zur ersten Promotionsprüfung im Fach der Rechtswissenschaften. Die mündliche Prüfung hatte das in der Dissertation erstmals umfassend bearbeitete Thema „Der Volkseinwand. Das suspensive fakultative Referendum auf Antrag des Volkes“ zum Gegenstand.

Das Promotionsvorhaben von Herrn Feigl wurde an der HVF durch Prof. Dr. Arne Pautsch (Inhaber der Professur für Öffentliches Recht und Kommunalwissenschaften) als promotionsberechtigtem Professor im Promotionsverband als Doktorvater erstbetreut.
Die Prüfung begann mit einem Vortrag des Doktoranden zu den zentralen Themenbereichen der Dissertation. Dafür erläuterte Florian Feigl in einem ersten Schritt die Funktion des Volkseinwandes, der ein Referendum des Volkes zu einem parlamentsbeschlossenen Gesetz darstellt. Es handelt sich um ein direktdemokratisches Instrument, das erst in jüngerer Zeit Eingang in die verfassungsrechtliche und -politische Diskussion (vor allem in Sachsen und Thüringen) gefunden hat. Das Referendum findet auf Antrag des Volkes statt und führt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zur Volksabstimmung, bei der das Volk der Gesetzesvorlage zustimmen oder sie ablehnen kann. Das vom Parlament beschlossene Gesetz kann bis zur Abstimmung durch das Volk nicht in Kraft treten, weil mit der Erhebung des Referendums eine Suspensivwirkung eintritt. Als Referenz für den Volkseinwand gilt das Nachbarland Schweiz, wo es in der Staatspraxis als suspensives fakultatives Referendum seit langem gebräuchlich ist.
Im weiteren Verlauf erläuterte der Doktorand den Kern seiner wissenschaftlichen Arbeit: die landesverfassungsrechtliche Zulässigkeit des Volkseinwandes, dessen Grenzen und die Herausforderungen einer Umsetzung im Landesverfassungsrecht.
Florian Feigl schloss seinen Vortrag mit den Worten:
„Die Debatte um die Optimierung der Demokratie muss offen für demokratische Reformgedanken sein.“

Dem Vortrag folgten eine hochschulöffentliche Diskussion und das nichtöffentliche Prüfungsgespräch mit den Mitgliedern der Prüfungskommission.
Den Prüfungsvorsitz hatte Prof. Dr. Andreas Pattar von der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl inne. Weitere Mitglieder des Prüfungsausschusses waren als Erstgutachter Prof. Dr. Arne Pautsch und als Zweitgutachter der Vorsitzende der Forschungseinheit V, Prof. Dr. Volker M. Haug (ebenfalls HVF), sowie als dritter Gutachter Prof. Dr. Christopher Schmidt von der Hochschule Esslingen.
Als Gäste nahmen an der ersten Promotionsprüfung der Vorsitzende des Promotionsverbandes, Prof. Dr. Andreas Frey, der stellvertretende Vorsitzende Prof. Dr.-Ing. Oliver Lenzen und die Geschäftsführerin des Promotionsverbandes Regina Rapp teil. Die HVF war durch Prorektorin Prof. Dr. Annette Zimmermann-Kreher vertreten.
Mit der erfolgreich bestandenen Prüfung hat Florian Feigl den akademischen Grad eines Doktors der Rechtwissenschaften (Dr. iur.) erworben.
Die HVF freut sich außerordentlich, Gastgeberin der ersten Promotionsprüfung der Forschungseinheit V gewesen zu sein und durch die Betreuung ihrer Professoren die allererste Promotion des Promotionsverbandes erfolgreich begleitet zu haben.
Abstract der Dissertation
Anlässlich verschiedener Reformbemühungen zur Einführung eines sogenannten Volkseinwands auf Landesebene befasst sich die Arbeit ausführlich mit dem in der Schweiz sowohl auf Bundesebene als auch in den Kantonen etablierten, direktdemokratischen Instrument, bei dem es sich der Sache nach um ein suspensives fakultatives Referendum auf Antrag des Volkes handelt. Im Zentrum der Untersuchung steht dabei die Frage nach der landesverfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Volkseinwands.
In Abgrenzung zu dem in den deutschen Ländern flächendeckend verbreiteten Modell der Volksgesetzgebung ordnet die Abhandlung das Instrument zunächst in die deutsche Systematik unmittelbarer Sachentscheidungsrechte des Volkes ein. Während die Volksgesetzgebung einen vom parlamentarischen Verfahren unabhängigen Gesetzgebungsstrang darstellt und dem Volk umfassende Gestaltungsmacht einräumt, haben Referenden von staatlichen Akteuren erarbeitete Vorlagen zum Gegenstand und führen auf diese Weise zu einer Verschränkung von repräsentativer und direkter Demokratie. Trotz dieses grundlegenden Unterschieds in der Verfahrenskonstruktion nähern sich einzelne Formen des Referendums der im Rahmen der Volksgesetzgebung bestehenden umfassenden Gestaltungsmacht des Volkes zumindest an, was eine Systematisierung der unterschiedlichen Referendumsarten verdeutlicht.
Anschließend widmet sich die Arbeit rechtsvergleichend der Verbreitung des Volkseinwands in Deutschland und der Schweiz. Während er in den deutschen Ländern bislang nur für Ausnahmefälle vorgesehen ist, zählt der Volkseinwand in der Schweiz sowohl im Bund als auch in den Kantonen zur demokratischen Grundausstattung. Den reichhaltigen Erfahrungsschatz aus der Schweiz nutzt die Abhandlung, um sowohl die rechtliche Konstruktion des Instruments als auch die Wirkungen auf das politische System zu untersuchen. Dabei stehen die vom Volkseinwand ausgehenden Vorwirkungen besonders im Fokus, haben sie zur Entstehung der konsensuellen Entscheidungsstrukturen in der Schweiz doch maßgeblich beigetragen.
Eine grundlegende Analyse des verfassungsrechtlichen Verhältnisses von repräsentativer und direkter Demokratie unter besonderer Berücksichtigung der hierzu ergangenen landesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung führt zu dem Ergebnis, dass die Einführung des Volkseinwands in den Ländern im Wege einer Verfassungsänderung zulässig ist. Dies gilt auch deshalb, weil weder Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG noch die Landesverfassungen selbst eine Verschränkung des parlamentarischen und des direktdemokratischen Gesetzgebungsstrangs grundsätzlich verbieten. Vielmehr genießt der verfassungsändernde Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum, dessen Grenzen von der Arbeit ebenfalls näher beleuchtet werden. Die in den Ländern etablierte Parallelität von Parlaments- und Volksgesetzgebung ist dabei eine mögliche, nicht aber die einzig zulässige Gestaltungsoption. Sie sollte daher auch nur als zulässige Gestaltungsoption und nicht als verfassungsrechtlicher Maßstab für neue, dem deutschen Verfassungsrecht bislang weitgehend unbekannte Verfahren betrachtet werden.
Die durch den Volkseinwand aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Folgefragen sind allesamt lösbar, erfordern aber stellenweise eine Modifikation des Instruments. Die Arbeit bietet hierfür erste Lösungsansätze an. Mit Blick auf die rechtzeitige Umsetzung höherrangigen Rechts etwa schlägt die Abhandlung die Normierung eines Dringlichkeitsfalls und die Überprüfung des parlamentarischen Gestaltungsspielraums im Wege eines nachträglichen, fakultativen Referendums vor.
In verfassungspolitischer Hinsicht birgt die Einführung des Volkseinwands Chancen und Risiken. Auch wenn die Wirkungen auf die parlamentarische Gesetzgebung und das politische System nicht in allen Einzelheiten vorherzusehen sind, dürfte der Volkseinwand als rein destruktiv wirkendes Vetoinstrument jedenfalls auch für populistische Strömungen eine attraktive Handlungsoption darstellen.
Der Volkseinwand sollte als landesverfassungsrechtlich zulässige Gestaltungsoption in die Debatte über eine Optimierung demokratischer Entscheidungsstrukturen aufgenommen werden. Verfassungspolitische Bedenken sollten gewürdigt und diskutiert, nicht aber als verfassungsrechtliche Unzulässigkeitsgründe dargestellt werden.
Die Veröffentlichung der Dissertation in der Schriftenreihe der Forschungseinheit V folgt.