Wie Konflikte entstehen: Dynamiken, Missverständnisse und die Psychologie dahinter

Personal| Nachricht vom 08.12.2025

Konflikte haben Muster. Warum sie wachsen, wie Wahrnehmung sich verschiebt und wie Teams Frühsignale nutzen können, erklärt dieser Beitrag.

Konflikte in der Verwaltung entstehen selten plötzlich. Meist beginnt alles mit kleinen Irritationen, die sich langsam verdichten. Ein kurzer Seitenblick, ein unbedachtes Wort, ein Missverständnis über Rollen oder Zuständigkeiten und schon entstehen Muster, die sich mit der Zeit verfestigen.

 

Wer versteht, wie Konflikte entstehen, kann sie deutlich früher wahrnehmen und gezielt darauf reagieren. Gerade in Verwaltungen, in denen Zusammenarbeit über Abteilungen hinweg, klare Rollenverteilungen und hohe Verantwortung Alltag sind, ist dieses Verständnis ein zentraler Bestandteil professioneller Führung.

Die Entstehung von Irritationen

Konflikte beginnen oft im Kleinen:

  • Ein Kommentar verletzt.

  • Eine Entscheidung wird als unfair empfunden.

  • Ein Kollege antwortet plötzlich kurz angebunden.

 

In dieser frühen Phase wird selten ausgesprochen, was irritiert. Viele Menschen hoffen, dass sich die Situation „von selbst“ klärt. Doch genau in dieser Zeit setzen innere Bewertungen ein. Das Erlebte bekommt Bedeutung und diese Bedeutung prägt die Wahrnehmung für die nächsten Begegnungen.

Wird das Unbehagen nicht angesprochen, entsteht der erste Nährboden für Missverständnisse.

Warum Wahrnehmungen verzerrt werden und wie Konflikte dadurch wachsen

Mit einer negativen Erfahrung verändern sich häufig die Art und Weise, wie wir weitere Signale interpretieren. Das ist menschlich: Emotionen steuern unsere Wahrnehmung stärker, als uns bewusst ist.

  • Informationen werden stärker gefiltert.

  • Hinweise, die das eigene Urteil bestätigen, werden bevorzugt.

  • Das Verhalten der anderen wird strenger interpretiert.

  • Der eigene Anteil tritt in den Hintergrund.

 

Dieser Tunnelblick führt schnell zu dem Eindruck: „Der andere ist das Problem.“
 

 

Wenn Gruppen entstehen: Die soziale Dynamik hinter Konflikten

Sobald erste Zweifel bestehen, suchen Menschen häufig Bestätigung im Umfeld. Gedanken wie „Sehe nur ich das so?“ oder „Ist das normal?“ führen dazu, dass Kolleg:innen ins Gespräch einbezogen werden. Das Ergebnis: Es entsteht eine Blase , der die eigene Sichtweise verstärkt.

 

Typische Dynamiken:

  • Gespräche „über“ statt „mit“ anderen

  • kleine Koalitionen

  • das Gefühl, „Recht zu haben“

 

Sobald sich Gleichgesinnte finden, wird die eigene Interpretation stabiler, unabhängig davon, ob sie objektiv korrekt ist.

Damit verschiebt sich ein Konflikt von der Sachebene zunehmend auf die Beziehungsebene.

Wenn Empathie schwindet

Je stärker sich Fronten bilden, desto schwerer fällt es, die Perspektive des anderen zu verstehen.
Emotionen verstärken die Distanz. Typische Hinweise, dass ein Konflikt in eine kritische Phase eintritt, sind:

  • abnehmende Gesprächsbereitschaft

  • zunehmende Härte in der Sprache

  • eindeutige Zuschreibungen („immer“, „nie“)

  • fehlende Bereitschaft, Rückfragen zu stellen

  • wachsendes Schwarz-Weiß-Denken


Wenn die Fähigkeit zur Empathie sinkt, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation rapide an.

Für Führungskräfte ist dies ein wichtiger Moment: Hier entscheidet sich, ob ein Konflikt geklärt wird,  oder ob er sich vertieft.

Eskalation verstehen: Warum Konflikte sich hochschaukeln

Die Eskalation eines Konflikts erfolgt selten abrupt. Sie verläuft in Schritten, die sich im Alltag gut beobachten lassen:

  1. Rückzug und Abkühlung der Beziehung:
    Stimmung kippt, Gespräche werden seltener und sachlicher, aber mit innerem Abstand.

  2. Pingpong-Argumentationen:
    Diskussionen drehen sich ständig um dieselben Punkte. Es geht weniger um Inhalte als um Durchsetzung.

  3. Handeln statt reden:
    Informationen werden zurückgehalten, Nebenbemerkungen fallen öffentlich, Körpersprache wird distanziert.

  4. Lagerbildung:
    Verbündete werden gesucht, Konflikte werden ins Private getragen, Wahrnehmungen werden selektiver.

 

Diese Entwicklung passiert oft unbemerkt, bis der Konflikt nicht mehr allein lösbar ist. Je weiter ein Konflikt in dieser Entwicklung fortschreitet, desto anspruchsvoller wird seine Klärung.

Wie Konflikte entstehen können - psychologische Mechanismen

Konflikte sind nicht nur fachliche oder organisatorische Phänomene, sie sind psychologisch. Drei Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle:

1. Der Wunsch, den eigenen Selbstwert zu schützen

Menschen neigen dazu, Situationen so zu interpretieren, dass sie das eigene Selbstbild stabil halten. Das kann dazu führen, dass:

  • Kritik abgewehrt wird,

  • Verantwortung verschoben wird,

  • Informationen ausgeblendet werden.

2. Reaktanz

Wenn jemand sich in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt – z. B. durch Anweisungen ohne Kontext – entsteht Widerstand. Dieser kann offen oder verdeckt auftreten, manchmal mit Verzögerung („Sleeper-Effekt“).

3. Unterschiedliche Bedürfnisse

In Konflikten werden oft grundegende menschliche Bedürfnisse berührt (z.B. Sicherheit, Verständnis, Anerkennung, Selbstwirksamkeit). Je stärker Bedürfnisse ignoriert werden, desto schneller eskaliert ein Konflikt.

 

 

Diese psychologischen Faktoren sollten Sie auch in der Konfliktklärung berücksichtigen. 

Was hilft, um Konflikte frühzeitig zu entschärfen

Konflikte entstehen durch Missverständnisse, Unsicherheiten und nicht befriedigte Bedürfnisse.

Die wichtigste Erkenntnis lautet: Konflikte kündigen sich an. Wer aufmerksam zuhört, fragt, beobachtet und Unsicherheiten früh anspricht, kann viele Entwicklungen abfangen. Hilfreich sind vor allem:

  • Gespräche auf Augenhöhe, bevor sich innere Bilder verfestigen

  • Aktives Zuhören: nachfragen statt interpretieren

  • Ich-Botschaften statt Vorwürfe

  • Transparenz über Erwartungen, Rollen und Entscheidungen

  • Mut, Unausgesprochenes anzusprechen

  • Klärungsgespräche, die auf Verständnis statt Bewertung setzen

 

Teams, die diese Prinzipien leben, entwickeln eine hohe Konfliktresilienz.  Dies ist ein entscheidender Faktor für Leistungsfähigkeit und Gesundheit am Arbeitsplatz.

Fazit: Konflikte sind Prozesse. Wer sie früh versteht, kann sie früh lösen

Konflikte entwickeln sich nicht zufällig. Sie folgen nachvollziehbaren Mustern und entwickeln sich über mehrere Stufen.
Wer diese Mechanismen verstanden hat, erkennt Risiken früher, reagiert souveräner und schafft die Grundlage für eine faire, offene Teamkultur.

 

Und genau dort beginnt wirksame Führung: bei der Fähigkeit, Entwicklungen wahrzunehmen, bevor sie eskalieren.


Weiterbildung bei LUCCA: Konflikte souverän führen

Wer Konflikte erkennt, versteht und aktiv gestaltet, stärkt die gesamte Organisation.

 

Empfohlene Weiterbildung: 

„Professionell führen in Konfliktsituationen - Konfliktmanagement März 2026“


Ein eintägiges Format, das die wesentlichen Grundlagen für professionelles Konfliktverhalten und Führungsarbeit im Spannungsfeld Verwaltung vermittelt.

Nielke Schwind-Hellwig
Verwaltung
Organisation und Projektmanagement Forschung und Transfer