Start-Up Bauhof

Konzeption und Umsetzung selbstorganisationsbasierter Formen der Führung und Zusammenarbeit

Projektverantwortlich an der HVF: Prof. Dr. Claudia Schneider
Projektlaufzeit: April 2018 - Februar 2021
Finanzierung: Stadt Herrenberg

Im Rahmen des Projektes „Start-Up Bauhof“ wurde ein städtischer Bauhof in eine selbstorganisationsbasierte Organisationsform überführt. Angewendet wurde der Ansatz der integrierten Organisationsentwicklung.

 

Das Projekt verlief in 3 Phasen.

 

Phase 1: e-Service-Entwicklung und Implementierung

Zwei Problemfelder haben die TUG zu Projektbeginn für sich benannt: (a) Grünflächenmanagement: Vergabe von Grünflächen zur Pflege durch Einwohner*innen i.S.v. einem städtischen e-Serviceangebot und (b) „Mängelmanagement“:  Abwicklung von der Mängelaufnahme bis zur –beseitigungsrückmeldung.

Für die stringente Nutzerorientierung – intern wie extern – bildete der ganzheitliche Service-Design-Ansatz die Grundlage für die Serviceentwicklung.

Ziele waren (I) an den Problemen der Mitarbeiter und Kunden anzusetzen, um deren Begeisterung für das Neue und dessen Implementierung zu wecken, sowie Ängste und Widerstände aufzulösen, (II) Qualitätsverbesserung und (III) Zeitersparnis in der gesamten Prozessabwicklung zu generieren.   

Methoden: Markt- und Trendanalyse zu Technologie-Entwicklungen, leitfadengestützte Interviews zur IST-Erhebung bei Mitarbeitern, Geschäfts­prozess­analyse, Mystery Shoppings zur Analyse des Kundenbedarfs, Best Practices-Analyse in Vergleichs-Kommunen, Customer Journey und Design Thinking zur Entwicklung der e-Services, Design eines digitalisierten Geschäftsprozesses. Beteiligung von Mitarbeitern, Bürgern und Experten aus anderen Kommunen zur Evaluation der Ergebnisse.

 

Phase 2:  Etablierung selbstorganisationsbasierter Arbeitsformen (New Work) und kollegialer Leistungsbewertung (New Pay)

Basierend auf „Shared Leadership“-Konzepten und modernen Erkenntnissen zu Empowerment wurde die Chance ergriffen, eine frei gewordene Meisterstelle nicht wieder zu besetzen. Stattdessen wurde durch die Verlagerung von formalen Führungsaufgaben auf die Mitarbeitenden ein Bauhof geschaffen, in welchem die Mitarbeiter ihre Arbeitsprozesse selbstorganisiert steuern, über Prozessverbesserungen und Investitionen allein entscheiden, eigenverantwortlich ihre Leistungen bewerten, die Vergütung dafür fest legen und alle anderen personalrelevanten Themen wahrnehmen. Mit dieser Projektphase wurden (I) Rahmenbedingungen geschaffen, um die kreativen Potenziale in den Köpfen der Mitarbeiter stärker zu erschließen und mehr Bürgernähe zu erreichen und (II) die Effizienz der Arbeit zu erhöhen, aber auch (III) das Arbeitsklima und die Motivation verbessert, (IV) Karriereperspektiven im Niedrigentgeltbereich geschaffen und somit (V) die Attraktivität der Stadtverwaltung als Arbeitgeberin für technische Berufe erhöht.

Methoden: Leitfadengestützte Interviews zur Erhebung der Selbstorganisationsreife in den TUG als Baseline, darauf aufbauend Workshopphase zur Erarbeitung einer prototypischen, selbstorganisationsbasierten Arbeitsorganisation, Best Practice Erhebungen in der Wirtschaft zu Modellen kollegialer Leistungsbewertung, Erarbeitung von Transferlösungen für die TUG, teilnehmende Beobachtungsstudie zur Erarbeitung des prototypischen, kollegialen Leistungsbewertungsmodells, Befähigung der Mitarbeitenden für die Selbstorganisation durch Maßnahmen der Führungskräfteentwicklung

 

Phase 3: Das Durchdenken der angestoßenen Ideen in Phase I führte zu weiteren Projekten, die nun aufgrund der Selbstorganisation (Phase II) in den Händen der Mitarbeiter liegen. Mit der Umsetzung dieser Projekte wurde der Anstoß für die Phase 1 auf höherer Entwicklungsstufe der Digitalen Transformation (ähnlich wie in einer Spirale) gegeben, u.a.:

  1. Der Einsatz eines Mähroboters MÄHlanie wurde für Grünflächen initiiert.
  2. Das Mängelmanagement wurde kreativ weiterentwickelt. Z. B. melden Ehrenamtliche, die herumliegenden Müll sammeln, auf Anregung der TUG-Mitarbeiter via Mängelmelder die Standorte der durch sie gefüllten Müllsäcke zur Abholung.

Die in Phase II gefundenen Selbstorganisationslösungen werden weiter optimiert.

Methoden: Kollegiale Beratung und Teamsitzungen

 

Angestoßen von einzelnen Digitalisierungsprozessen wie dem Grünflächenmanagement und dem Mängelmelder gab es im Amt TUG einen Strukturwandel, die Selbstorganisation wurde eingeführt. Diese wiederum fördert und fordert neue digitale Prozesse und Anwendungen und bringt diese letztendlich nachhaltig in die Umsetzung.

 

Das Projekt hat gezeigt: New Work und Digitalisierung funktionieren nur im Doppelpack und befruchten sich dabei in vielerlei Hinsicht gegenseitig. Das Vorgehen kann als Blaupause für Kommunalverwaltungen eingesetzt werden, um Mitarbeiter*innen auf den Weg der Digitalen Transformation zu führen, die Entwicklung von e-Services und –Produkten sowie deren Implementierung voranzutreiben, sowie die Mitarbeiter*innen für Selbstorganisation wie auch kontinuierliche Verbesserung zu emanzipieren. Das Durchlaufen des Zyklus ist insofern innovativ, da er nicht bei der bloßen Entwicklung von e-Services und –Produkten stehen bleibt, sondern die Organisation bzw. Verwaltung als Ganzes in den Blick nimmt. Der Nutzen besteht darin, dass die Mitarbeiter*innen als Expert*innen für ihren Bereich selbstständig und selbsttätig von der Initiierung bis hin zur Implementierung von e-Services und –Produkten aktiv sind. Durch den Methodenmix erfahren sie, dass die Bürgerperspektive der Ausgangs- und Endpunkt der Servicegestaltung wird, ohne dass die Mitarbeiterperspektive zu kurz kommt.  Durch die Selbstorganisation wird Verantwortungsübernahme die Regel, nicht die Ausnahme. Dies führt zu höherer Resilienz und Agilität in der Verwaltung.